Knappstes Resultat seit 1848: «Die Enttäuschung ist sehr gross»

Knappstes Resultat seit 1848: «Die Enttäuschung ist sehr gross»

14. Juni 2015 agvs-upsa.ch - Es war ein Abstimmungskrimi, den es in dieser Art seit 1848 noch nie gab: Die RTVG-Vorlage stand über Stunden auf des Messers Schneide – und fiel dann doch noch auf die Seite der Befürworter. Das Resultat hätte allerdings knapper nicht sein können: 50,08% ja gegen 49,92% nein. Noch nie in der Geschichte der Eidgenossenschaft war ein Abstimmungsresultat knapper. Entsprechend enttäuscht sind die Gegner – darunter auch der AGVS.



«Ich bin einfach sehr enttäuscht», sagte AGVS-Zentralpräsident Urs Wernli, als gegen Sonntagabend feststand, dass die RTVG-Revision angenommen worden ist. «Als gute Demokraten haben wir dieses Resultat zu akzeptieren», sagte er gegenüber AGVS-Online.

Die Befürworter der Revision gewannen die Abstimmung schliesslich mit einem «Zufallsmehr», wie es Politologe Claude Longchamps gegen Abend am Fernsehen formulierte. Den Ausschlag zur Annahme gegeben haben am Schluss vor allem die französischsprachigen Kantone, der Kanton Graubünden sowie die Kantone, bzw. Städte Bern und Zürich. «Wir haben den Abstimmungskampf in der Westschweiz verloren», bilanzierte Urs Wernli das Ergebnis nüchtern (siehe Interview unten). Doch der Kampf gegen einen ausufernden Service Public, der über die vergangenen Jahre als Wunder-Argument für den laufenden Ausbau der SRG geworden ist, dieser Kampf sei noch nicht zu Ende, sagte Wernli, «denn jetzt beginnt jene Diskussion, die man eigentlich vor der Abstimmung hätte führen sollen.»

Ob die Gegnerschaft verlangt, dass das knappe Ergebnis nochmals ausgezählt wird, dazu wollte sich auch Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler nicht äussern. Urs Wernli wies darauf hin, dass man jetzt das Resultat sauber analysieren und dann entscheiden wolle, wie man weiter vorgehe.

Erbschaftssteuer war schnell klar
Weniger spannend machte es die Erbschaftssteuer: Hier war es schnell klar, dass sie abgelehnt werden würde. Die Frage war nur noch, wie hoch. Mit 71% Nein war das Resultat sehr deutlich. Gegenüber AGVS-Online sagte Urs Wernli am Sonntagabend: «Das ist ein gutes Zeichen für das Gewerbe und für all unsere KMU.»

Alles in allem: Für den AGVS war es ein durchzogenes Wochenende. Ein deutlicher Sieg gegen die geplante Erbschaftssteuer steht einer extrem knappen Niederlage bei der RTVG-Revision gegenüber. Aber dort hat man immerhin einen Teilsieg erreicht – die Debatte über Inhalt und Rahmen des Service Public ist lanciert.

Auslandschweizer kippen Ergebnis

Aufgrund einer detaillierten Auswertung kommt tagesanzeiger.ch zum Schluss: Ohne die Auslandschweizer wäre die Abstimmung über die RTVG-Revision anders ausgefallen – nämlich zu Gunsten der Gegner. Das ist umso stossender, als dass die Auslandschweizer zwar von den Leistungen der SRG profitieren, im Unterschied zu den Inländern aber keine Medienabgabe bezahlen. Mit anderen Worten: jene, die bisher nichts für die Leistungen zahlen mussten zwingen nun durch ihr Abstimmungsverhalten alle dazu, zu bezahlen – ausser natürlich sich selbst.

Bigler verzichtet, Leuthard verspricht, de Weck beschönigt

In der Zwischenzeit wurde Gewerbeverband-Direktor Hans-Ulrich Bigler von verschiedenen Medien gefragt, ob er eine Nachzählung der Stimmen in Erwägung ziehe. Dazu wollte er sich in einem Interview mit tagesanzeiger.ch nicht konkret äussern. Seit Montagmittag ist jetzt aber definitiv klar: Der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) verzichtet auf eine Stimmrechtsbeschwerde. Die Gegründung: «Die Niederlage ist zwar ärgerlich, aber für uns steht im Vordergrund, dass wir die demokratischen Mechanismen akzeptieren. Wir nehmen das Volksverdikt so zur Kenntnis, sagte Bigler gegenüber blick.ch.


Gleichzeitig versprach Medienministerin Doris Leuthard am Abend, dass die Diskussion über den Service Public, den die RTVG-Gegner verlangen, «in der ganzen Tiefe» stattfinden werde. Gleichzeitig verwehrte sie sich aber gegenüber dem Nachrichtenportal WATSON gegen Forderungen der Gegner: «Als Abstimmungsverlierer sollte man jetzt nicht gleich mit neuen Forderungen kommen, sondern sich erst einmal auf die Diskussion einlassen.»

Was zu ewarten war: SRG-Generaldirektor Roger de Weck sprach nach der schallenden Ohrfeige, die ihm und seiner SRG knapp die Hälfte aller Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verpasst hatte davon, dass er «keinen fehlenden Rückhalt der Bevölkerung erkenne.»

AGVS-Zentralpräsident Urs Wernli zum Abstimmungsergebnis

Sonntagabend, kurz nach fünf Uhr. Das Resultat steht fest: Die RTVG-Vorlage wurde vom Stimmvolk denkbar knapp angenommen. Entsprechend enttäuscht ist Urs Wernli, der mit Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler Seite an Seite gegen die Vorlage und damit für das Gewerbe gekämpft hat.
 

Herr Wernli, knapper hätte das Resultat kaum ausfallen können. Wie haben Sie diesen Abstimmungskrimi erlebt? Urs Wernli: Es war höchst spannend. Mit jedem neuen Resultat aus den Kantonen haben wir ausgerechnet, wie es steht. Da das Resultat über Stunden auf der Kippe stand ging das ganz schön an die Nerven.
 
Sie haben den Abstimmungsverlauf zusammen mit den anderen Gegnern der RTVG-Revision verfolgt. Wie war die Stimmung?

Urs Wernli: Die Stimmung war nie wirklich euphorisiert, sondern eher abwartend. Wir wussten, dass die Vorlage jederzeit auf die eine oder andere Seite kippen konnte. Mir persönlich war relativ schnell klar, dass es auf ein sehr knappes Resultat hinauslaufen wird und habe noch in der ersten Hälfte des Nachmittags gesagt, dass es am Schluss um 2‘000 Stimmen geht. Jetzt sind es knapp 4‘000. Wir mussten vorher den Ärger runterspühlen…
 
Sie haben sich als AGVS-Zentralpräsident stark gegen die Vorlage engagiert. Wie gross ist die Enttäuschung?
Urs Wernli: Die Enttäuschung ist sehr gross. Wir haben von Seiten der Gegnerschaft alles gegeben. Dass es jetzt an knapp viertausend Stimmen gescheitert ist, ist bitter. Ich bin mir sicher, dass unsere Mitglieder an der Urne waren, um nein zu stimmen.
 
Was glauben Sie hat schliesslich den Ausschlag für die Revision des RTVG gegeben?
Urs Wernli: Mit Sicherheit das «Geschenk» von 60 Franken, um die die Gebühren jetzt für jeden bisherigen Zahler günstiger werden. Und in einigen Kantonen, namentlich der Romandie, hatte man Angst vor einem Abbau des Service Public. In diesen Kantonen haben wir die Abstimmung verloren.
 
Trotz allem: kann man sagen, Sie und die anderen Gegner haben immerhin einen Teilsieg erreicht, denn jetzt beginnt jene Debatte, die man eigentlich vorher hätte führen sollen…
Urs Wernli: Genau, jetzt werden wir darüber diskutieren, was der Service Public künftig beinhalten soll.
 
Wird sich der AGVS dort einbringen?
Urs Wernli: Absolut – mit so einem äusserst knappen Zufallsmehr können weder Medienministerin Doris Leuthard noch die SRG einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir vom AGVS werden unser Engagement als wichtiger Teil des Gewerbeverbandes selbstverständlich fortführen, das ist keine Frage.
 
Halten Sie es für möglich, dass die Gegnerschaft verlangt, dass das Resultat nochmals ausgezählt wird?
Urs Wernli: Das weiss ich im Moment nicht. Ich nehme an, dass das Vorgehen so ist, dass man das Ergebnis erst exakt analysiert und dann entscheidet, wie man weiter vorgehen wird.
 
Wenigstens wurde die Erbschaftssteuer abgelehnt. Wie froh sind Sie darüber?
Urs Wernli: Das wichtige und wuchtige Nein zur Erbschaftssteuer ging etwas unter, weil der RTVG-Krimi den Nachmittag dominiert hat. Dabei war das für das Gewerbe die noch wichtigere Entscheidung. Ich bin äusserst froh über den Entscheid, die Initiative abzulehnen. Das ist ein gutes Zeichen für das Gewerbe und für all unsere KMU. Wir als AGVS haben dieses Resultat mit sehr grosser Genugtuung zur Kenntnis genommen.


Die AGVS-Medienmitteilung finden Sie hier.

Die Medienmitteilung des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv) finden Sie hier.
Worauf der AGVS verschiedentlich hingewiesen hat, nimmt der ehemalige Bundesgerichts-Korrespondent der NZZ, Markus Felber, in einem Aktuellen Tweet auf Twitter erneut auf:
 

 
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