Der Treibstoff mit Zukunftspotenzial
2. Februar 2016 agvs-upsa.ch - Wie sicher, nachhaltig und wirtschaftlich sind Wasserstoff-Fahrzeuge? Dieser Frage widmeten sich knapp 300 Fachleute an einer Tagung an der Empa. Während die Sicherheit inzwischen gegeben ist, ist für die Nachhaltigkeit vor allem ein Faktor massgebend: Woher stammt die Energie, die für die Produktion des Wasserstoffs benötigt wird?
Brennstoffzellenfahrzeuge befinden sich derzeit in einer Übergangsphase von der Forschung in die Anwendung. Erste Autohersteller bieten bereits mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge an – obwohl ein Tankstellennetz in der Schweiz bislang fehlt. Die Entwicklungen in diesem Bereich interessieren ein breites Publikum: Das hat die Tagung «Brennstoffzellen in automobilen Anwendungen» vom 26. Januar 2016 gezeigt. Eingeladen von der Empa, dem Paul Scherrer Institut (PSI), der ETH Zürich sowie der inspire AG sprachen hochkarätige Referenten über die Produktion von Wasserstoff für die Mobilität, deren Logistik, die Marktchancen und die Nachhaltigkeit der Nutzung von Wasserstoff als Treibstoff.
Urs Elber, Geschäftsführer des Empa-Forschungsschwerpunkts Energie und des Kompetenzzentrums für Energie und Mobilität am PSI, machte deutlich, dass Nachhaltigkeit und Effizienz in einem gesamtsystemischen Zusammenhang betrachtet werden müssen. Nachhaltigkeit kann nur erreicht werden, wenn die Energie zur Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen stammt. Der Ausbau der Photovoltaik-Anlagen in der Schweiz und im Ausland führt im Sommer automatisch zu Strom, der im Netz nicht mehr direkt verwendet werden kann. Diese Energie kann man entweder abregeln – und damit vergeuden –, oder in andere Bereiche wie die Mobilität verlagern. Dort kann der Strom direkt für den Betrieb von Elektrofahrzeugen verwendet oder mittels Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt werden, der dann als Treibstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge zur Verfügung steht.
Heute ist Wasserstoff vor allem als chemischer Grundstoff für die Industrie relevant; dagegen hat er als Energieträger kaum Bedeutung. Das wird sich ändern, ist Ulrich Bünger von der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH überzeugt. Die Mobilität wird seiner Meinung nach entscheidend dazu beitragen, dass Wasserstoff zu einem universellen Energieträger avancieren kann. Damit dies tatsächlich passiert, rät er zu «opportunistischen Einstiegsstrategien» und versteht darunter etwa die Beimischung von Wasserstoff zum Erdgas (analog dem Biogas) oder die Methanisierung des Wasserstoffs. Letzteres bedeutet die Herstellung von synthetischem Methangas aus Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2). Der Vorteil: Das Gas kann im bestehenden Gasnetz gespeichert und zum Betrieb von Gasautos genutzt werden. Natürlich sinkt durch die Umwandlung des Wasserstoffs in Methan der Wirkungsgrad; trotzdem seien es aber solche schnell umsetzbaren Anwendungen, die dem Wasserstoff den Weg zum Energieträger der Zukunft ebnen. Neben der reinen Verwendung von Wasserstoff wird im Mobilitätsdemonstrator «move» an der Empa deshalb auch die Beimischung von Wasserstoff zu Biogas und in einem späteren Ausbauschritt die Herstellung von synthetischem Methan untersucht.
Damit der Wasserstoff letztlich den von Bünger prognostizierten Stellenwert erhält, sind die Kosten der entscheidende Faktor. Felix Büchi vom PSI stellte dar, dass in einigen Jahren die Treibstoffpreise für diesel- und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge vergleichbar sein werden. Er setzt aber voraus, dass sowohl bei der Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse als auch bei der Entwicklung der Brennstoffzellen für Fahrzeuge noch einige Fortschritte erzielt werden, damit die Kosten in diesen Bereichen sinken. Aus erster Hand berichtete Hansjörg Vock, Geschäftsführer der Diamond Lite S.A., über Fortschritte bei den sogenannten PEM-Elektrolyseuren, wie sie auch im «move» an der Empa zum Einsatz kommen: Durch eine substantielle Leistungserweiterung sanken die Kosten pro Kilowatt in den letzten rund 15 Jahren um mehr als 70 Prozent. Auch Robert Adler und Michael Stefan von der Linde Group sprachen von erheblichen Kostenreduktionen im Bereich der Wasserstoffproduktion und -distribution. Erreicht wird dies unter anderem durch die Serienproduktion von standardisierten Wasserstofftankstellen. Die Linde Group hat heute die Möglichkeit, eine Produktionskapazität von bis zu 110 Wasserstofftankstellen pro Jahr zu erreichen. Dadurch lässt sich gegenüber der Einzelfertigung rund ein Drittel der Kosten einsparen.
Neben der Bereitstellung des Treibstoffs spielen für einen Durchbruch von Wasserstoff als Energieträger die entsprechenden Brennstoffzellenfahrzeuge eine entscheidende Rolle. Als Vertreter der Autobranche präsentierten Philipp Rhomberg und Hannes Gautschi von Toyota Schweiz die Entwicklung der Wasserstofffahrzeuge in ihrem Konzern. Mit dem «Mirai» bringt Toyota aktuell ein Brennstoffzellenfahrzeug auf den Markt. Ab 2017 soll die Limousine auch in der Schweiz erhältlich sein. Die Technologie, die im Fahrzeug steckt, ist gemäss Toyota-Generaldirektor Rhomberg, die kleinere Herausforderung. Die wirklich grosse Herausforderung liege in der Marktfähigkeit des Fahrzeuges, denn der Kunde wolle auf keinen Fall auf den üblichen Komfort verzichten – auch nicht zugunsten der Umweltfreundlichkeit. Ausserdem gilt es, das irrtümlich weit verbreitete Bild des «gefährlichen» Wasserstoffs in den Köpfen der Öffentlichkeit zu revidieren.