Fokus Technik
Die Megatrends in der Fahrzeugtechnik
12. Mai 2020 autoberufe.ch – Die abgesagte Geneva International Motor Show motivierte viele OEM und Zulieferer dazu, die Neuheiten statt in Form von Hardware auf dem Stand in Genf alternativ digital und virtuell im Internet zu präsentieren. Wir haben die Megatrends über Digitalisierung, Diversifikation beim Antrieb, Adaption von Fahrzeugsystemen für BEV aber auch Superlativen und Bodenständiges aufgespürt und zeigen auf, welche Technik bald in der Werkstatt anzutreffen ist.
Digitalisierung und Infotainment sind eine der Technik-Megatrends. Selbst im Honda e, dem neuen BEV-Kleinwagen, nehmen die Bildschirme fürs Infotainment die ganze Fahrzeugbreite ein. (Bild: Honda)
se. Für das Garagengewerbe fällt eine wichtige Leitmesse dieses Jahr weg: Viele Betriebsinhaber und Branchenkenner orientieren sich jedes Jahr auf neutralem Boden in Genf. Und dies nicht nur bei den Fahrzeugen, sondern bisher auch im Bereich Werkstattausrüstung und Zubehör.
Die Diversifikation der Antriebe und der Druck auf batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) und Plug-in-Hybride umzusteigen, ist der Technikschwerpunkt im Jahr 2020 schlechthin. Die CO2-Gesetzgebung und die drohenden Bussen zwingen die Branche zum radikalen Wandel. Ob auch die Kundinnen und Kunden mitziehen und signifikant mehr BEV bestellen, wird sich weisen.
Dass aber auch die Verbrennungsmotoren immer sauberer und sparsamer werden, potente Dreizylinder-Downsizing-Motoren wie im Toyota GR Yaris für Fahrspass sorgen oder auch CNG- oder Brennstoffzellen-Antriebe als umweltfreundliche Alternative angesehen werden, scheint in den Hintergrund zu rücken. Für die Kunden sind die Verbrenner mit fossilen oder erneuerbaren Energien insbesondere als Hybridantrieb je nach Einsatzzweck nach wie vor eine valable Alternative zu den BEV.
Die OEM kommen aber nicht umhin, rasch und in hoher Stückzahl BEV anzubieten. Endlich kommt der rein elektrische Antrieb bei vielen Anbietern in der Fahrzeugklasse an, wo er technisch am meisten Sinn macht: bei Kleinwagen. Fiat 500 electric, Honda e, Mini Cooper SE, Opel Corsa e, Peugeot e-208 und e-2008, Renault Zoe, Seat Mii electric, Skoda Citigo e IV, VW ID.3 und VW e-up! sowie einige Modelle chinesischer Hersteller werden dieses Jahr den BEV-Markt auch im unteren Preissegment ankurbeln. Endlich sind auch «bodenständige» Modelle im Angebot.
Der Wechsel des Energiewandlers stellt diverse Fahrzeugsysteme auf den Prüfstand: Werden noch aufwendige Getriebe oder leistungsfähige Bremsanlagen benötigt, wenn die E-Maschinen in einen breiten Drehzahlbereich eingesetzt und dank Rekuperation das Fahrzeug verzögern können? Die Antwort ist klar: Kosteneinsparungen bei BEV lassen insbesondere die Getriebe zu. Bei den Radbremsen gelten dieselben gesetzlichen Vorgaben wie bei anderen Antriebsarten. Entsprechend können hier keine Vereinfachungen oder Kosteneinsparungen aufgrund der Technik realisiert werden.
Die meisten «Stromer» weisen ein Eingang-Getriebe sowie ein konventionelles Achsgetriebe mit Differenzial auf. Bislang verfügt nur der Porsche Taycan je nach Ausführung für die Hinterachsmotorisierung über ein Zweigang-Getriebe, um die Beschleunigungswerte zu optimieren. Auch im Hybridantrieb tut sich einiges: Der VW-Konzern bietet in diversen Modellen den E-Antrieb gekoppelt mit einem Doppelkupplungsgetriebe an. Der E-Motor sitzt dabei wie bei den Hybriden mit Getriebeautomaten auf der Getriebeeingangsseite.
Auch einzelne Komponenten werden BEV-tauglich getrimmt. BMW präsentiert beispielsweise ein luftwiderstandsoptimiertes Rad, das nicht mehr primär viel Kühlluft von der Bremse nach aussen zirkulieren lassen soll, sondern möglichst wenig Luftverwirbelung erzeugt. Damit werden im BEV iX3 (Debüt noch im 2020) wie auch im i4 und iNext (Lancierung 2021) gemäss WLTP-Zyklus rund 2% weniger Verbrauch realisiert und die Reichweite mit dieser Massnahme um 10 km erhöht.
Der Honda e ist nicht nur antriebsseitig topmodern, sondern glänzt auch bei der Digitalisierung und beim Infotainment. Seitenspiegel werden durch windschlüpfrige Kameras ersetzt. Die Displays des Infotainments erstrecken sich über die komplette Fahrzeugbreite inkl. zwei zusätzlichen Bildschirmen für die Bilder der Seitenkameras.
Das Infotainment ist für das aktuelle Jahr ein weiterer Megatrend. Vermehrt werden grosse Displays eingesetzt, um die Passagiere mit den dargestellten Inhalten zu informieren und zu unterhalten. Die Hersteller, welche bis anhin auf grossflächige Monitore gesetzt haben, mussten in der Vergangenheit und aktuell zum Teil Lehrgeld zahlen. Die thermische Belastung durch die Abwärme der Grafikkarte und der Stromverbrauch des Displays sowie die noch ungenügende Adaption der Consumer Electronic ins Fahrzeug hat zu einer hohen Anzahl von Garantiefällen geführt. Die Technologie haben Zulieferer und OEM aber immer besser im Griff. Die Ablenkung im Fahrzeug durch riesige Screens dient nicht primär der Verkehrssicherheit. Optimal, dass die Weiterentwicklung der Level-2-Fahrerassistenzsysteme parallel dazu voranschreitet, um Unfälle zu vermeiden.
Ausserdem muss es der Industrie gelingen, die Softwarekosten zu senken. Während bisher jeder OEM oder Zulieferer auf zum Teil selbst geschriebene oder adaptierte Betriebssysteme setzte, wird in Zukunft das Android-System von Google Fuss fassen. Aktuell verwendet beispielsweise Polestar, die elektrifizierte Schwestermarke von Volvo, gezielt die Google-Software. Der Nutzer spürt also keinen Unterschied mehr, ob er sein Android-Smartphone oder sein Auto bedient.
Und auch die Navigationssoftware muss zwingend auf die elektrische Fortbewegung adaptiert werden: Der Kunde erwartet die Angabe der elektrischen Reichweite und die Ladeempfehlung und möglichst eine Reservation der Ladesäule, um grössere Distanzen mit möglichst kurzem Zwischenstopp zurücklegen zu können. Das Jahr 2020 bringt der Automobilbranche und den Garagisten wiederum viel Neues, auch ohne GIMS.
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