Billag: Ungleiche Behandlung

Billag: Ungleiche Behandlung

7. Januar 2015 agvs-upsa.ch - Aus Sicht von Pierre-Daniel Senn, Vizepräsident des AGVS, würde eine Billag-Steuer Garagisten in der Schweiz in eine kritische Lage bringen.



Schweizerische Gewerbezeitung: Was soll man von dieser neuen Steuer auf Medien halten, die für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 500 000 Franken gelten soll?
Pierre-Daniel Senn: Zunächst einmal will ich betonen, dass der AGVS und der SGV gegen die Besteuerung der Unternehmen sind. Schliesslich zahlen wir ja schon zu Hause unsere Gebühren, warum sollte man uns noch einmal für das Unternehmen zur Kasse bitten? Wer sich das Projekt einmal ganz genau ansieht, wird feststellen, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Tarife gibt. Wie kommt es, dass manche Unternehmen zahlen und andere nicht? Als ich die Mitteilung des Bundesrates gelesen habe, hatte ich das furchtbare Gefühl, dass die Regierung einen bestimmten Tarif festgesetzt hat, um es sich mit der jeweiligen Interessengruppe nicht zu verscherzen. Die Politik hat sich da ihr eigenes Süppchen zusammengekocht!

Was bedeutet die neue Steuer für das Autogewerbe und für die 4000 Garagen, die der Verband vertritt?
Aus unserer Sicht gibt es ganz klar mehrere Punkte, in denen eine Ungleichbehandlung vorliegt. Garagisten verkaufen Produkte, die sehr hohe Umsatzzahlen bei zugleich geringen Gewinnmargen aufweisen. Durch eine Besteuerung des Umsatzes werden die Garagisten eindeutig auf doppelte Weise ungleich behandelt. Zum einen werden Unternehmer zweimal besteuert. Zum anderen, weil der Tarif unser Gewerbe deutlich benachteiligt: Garagisten machen schnell Umsätze in Millionenhöhe, bei einer mittelgrossen Garage sind es zwischen 20 und 25 Millionen. Berechnet man die Steuer nach dem Umsatz, würden wir ganz klar in die hohe Tarifklasse fallen! Garagisten würden proportional gesehen also mehr zahlen als andere Unternehmen. Da der Cashflow in Garagen jedoch in der Grössenordnung von circa 1 % liegt, kann das Unternehmer in eine schwierige Lage bringen. Ich habe ausgerechnet, dass manche Garagisten eine Mediensteuer zahlen müssten, die höher ist als die direkte Bundessteuer. Aus diesem Grund wehren wir uns auch so heftig dagegen!

Gegen welches Grundsatzproblem der Steuer wehren Sie sich konkret?
Der Vorschlag entbehrt einer demokratischen Grundlage: Zur Erhebung einer direkten Bundessteuer braucht man ein Gesetz oder eine Verordnung: Über das Ganze wird abgestimmt und die Vorlage durchläuft einen demokratischen Prozess. Bei der Billag gibt es nichts von alledem: Der Bundesrat legt seinen Tarif fest und fertig! Es handelt sich hier um ein ernsthaftes Problem, schliesslich geht es um Beträge, die sich bei manchen Unternehmen auf mehrere Hundert Millionen Franken belaufen. Dabei ist die Mediensteuer nichts anderes als eine Art Autobahnvignette! Diese aber wurde vorher demokratisch eingeführt. Warum geschieht das nicht auch bei der Billag?

Warum sollten die kleinen Unternehmen stärker berücksichtigt werden?
Nehmen wir eine kleine Garage mit einem Jahresumsatz von 6 Millionen Franken. Die direkte Bundessteuer, die sie bezahlen muss, wird genau so hoch sein wie die Mediensteuer. Für Novartis sind das 39 000 Franken: Verteilt auf die Anzahl der Mitarbeitenden ist der Betrag pro Kopf nicht besonders hoch. Für ein Unternehmen mit 6 Millionen Umsatz und nicht mehr als sechs oder sieben Mitarbeitenden ist die Steuerbelastung jedoch enorm. Abgesehen davon hatte der Bundesrat die Erhebung der Mediensteuer in Abhängigkeit von der Mitarbeiterzahl geprüft, jedoch unter dem Vorwand abgelehnt, die Landwirtschaft, in der viele Arbeiter beschäftigt werden, würde dadurch zu hoch belastet. Für die durch ihre Lobby gut organisierte Landwirtschaft ist das in Ordnung. Das weniger stark im Parlament vertretene Autogewerbe aber hat es nicht so leicht, ihre Sicht der Dinge zu vermitteln. Eine weitere Ungleichbehandlung!

Mit welchen Massnahmen bringen Sie Ihre Mitglieder dazu, aktiv zu werden und Unterschriften zu sammeln?
Auf Verbandsebene besuchen unsere Vertreter täglich mehrere Garagen in der gesamten Schweiz und sammeln aktiv Unterschriften. Wir werden ausserdem von unseren Sektionen unterstützt; die Sekretariate haben wichtige Massnahmen eingeleitet, um Unterschriften für dieses Referendum zu sammeln. Darüber hinaus engagieren wir uns auch bei all unseren Präsentationen. Ich persönlich habe bei einer Sitzung zur Buchhaltung in Garagen festgestellt, dass die meisten Leute gar nicht wussten, dass es so etwas gibt. Sobald die Unternehmensleiter jedoch erfuhren, was da an steuerlicher Belastung auf sie zukommt, wollten sie sich an der Unterschriftensammlung beteiligen. Ich bin da auf sehr grosse Motivation gestossen...

Ist es in der französischen Schweiz schwieriger, Unterschriften zu sammeln als in der deutschen Schweiz?
Nein, ich denke nicht. In der deutschen Schweiz scheinen die Leute die Billag allerdings stärker abzulehnen als diesseits der Saane. Es geht sogar noch etwas weiter: Die Deutschschweizer haben andere Vorstellungen von der Finanzierung der Medien. In der französischen Schweiz sind wir vielleicht etwas staatsgläubiger eingestellt. Aber ich glaube nicht, dass dies von grundlegender Bedeutung und dass dieser Eindruck wirklich repräsentativ ist.

In den Garagen werden die Gewinnmargen und die Erträge kleiner. Wie sieht die Lage des Autogewerbes in der Schweiz jetzt zum Jahresende aus?
Die neuesten Entwicklungen des Gewerbes zeigen eine Stabilisierung bei der Instandhaltung und Instandsetzung von Fahrzeugen. Dieser positiven Entwicklung gingen erhebliche Verluste des Gebrauchtwagenhandels voraus. Man muss bedenken, dass die Preise für Gebrauchtwagen parallel zum Wertverlust des Euro gesunken sind. Die Garagisten hatten aber Leasingverträge abgeschlossen, die erst ein bis fünf Jahre später auslaufen. Die Restwerte, zu denen sich die Garagisten verpflichtet hatten, die Fahrzeuge zurückzukaufen, waren damit 20 % zu hoch. Niemand konnte absehen, dass der Euro so stark fallen würde. Das hat zu erheblichen Verlusten geführt und diese Entwicklung könnte noch ein oder zwei Jahre anhalten. Der Gebrauchtwagenhandel wird sich langsam erholen, bis wieder ein gewisses Gleichgewicht einkehren wird. Beim Verkauf von Neuwagen ist eine leicht rückläufige Entwicklung zu beobachten: Durch den schwachen Euro war der Preis für Neuwagen 20 % niedriger und viele Leute haben Neuwagen gekauft. Bisher wusste niemand, ob diese Entwicklung ein abruptes Ende findet oder langsam zu Ende geht. Offenbar ändert sich das Konsumverhalten der Verbraucher eher allmählich. Pro Jahr werden etwas weniger als 300 000 Fahrzeuge gekauft, wenn man die Kurzzulassungen herausrechnet. Letztere haben in der Statistik lediglich eine kosmetische Funktion!

Handelt es sich dabei um einen gewichtigen Faktor?
Ich habe im Kanton Neuenburg beim Strassenverkehrsamt nachgefragt, wie hoch die Zahl dort geschätzt wird. Hier gibt es praktisch keine Fahrzeugimporteure. Kurzzulassungen werden aber vor allem von Fahrzeugimporteuren beantragt. In Neuenburg machte der Marktanteil der Kurzzulassungen Ende September 2014 etwa 10 % aus.
Man sagt, dass der Anteil der Kurzzulassungen in Deutschland mehr als ein Drittel des Marktes ausmacht!

Wozu werden die Kurzzulassungen beantragt?
Um sich selbst aufzuwerten! Konkret heisst das: Das Importunternehmen will einen Fahrzeugbestand zu Geld machen. Es bittet den Garagisten um die Zulassung seiner Fahrzeuge, auch wenn es gar keinen Kunden dafür gibt. Kurz darauf wird die Zulassung wieder aufgehoben. Das Importunternehmen verspricht dem Garagisten eine Prämie, damit dieser die Fahrzeuge ohne grossen Verlust wieder verkaufen kann. Und schon hat das Importunternehmen sein Ziel erreicht: Es kann höhere Umsatzzahlen verbuchen.

Worin besteht das grundlegende Problem der Automobilbranche?
Es gab eine massive Überschätzung der Verkäufe. Die Europäer hatten aus politischen Gründen – ganz im Gegensatz zu den Amerikanern – nicht den Mut, bestimmte Fabriken zu schliessen. In den USA haben die Automobilhersteller wieder von ganz unten angefangen. Momentan sind sie sogar wieder dabei, Gewinne zu erwirtschaften.

(Interview: Schweizerische Gewerbezeitung)


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