«Garagen sind das Rückgrat des ­Individualverkehrs»

Der CEO der ESA im Interview

«Garagen sind das Rückgrat des ­Individualverkehrs»

15. Mai 2024 agvs-upsa.ch – Seit 2017 ist Giorgio Feitknecht der CEO der ESA. Im Vorfeld der ESA-Generalversammlung am heutigen 15. Mai blickte der studierte Betriebwirtschafter und eidg. dipl. Logistikleiter im Interview zurück und nach vorne – und verrät, wieso der intensive Kontakt zur Basis ein Muss ist. Timothy Pfannkuchen


Der Verkaufsladen am ­ESA-Hauptsitz in Burgdorf BE. Foto: ESA

Giorgio Feitknecht, Sie sind seit 2011 bei der ESA, erst als Leiter Vertriebskanäle und seit mehr als sieben Jahren als CEO. Was hat sich im Rückblick im Autogewerbe besonders stark verändert?
Giorgio Feitknecht: In diesen über zehn Jahren ist das Thema Umwelt gesellschaftlich wie auch politisch stark und mit grundlegenden Auswirkungen auf die Automobilbranche in den Vordergrund gerückt. Dies stellt meines Erachtens die grösste Veränderung dar. Repräsentativ dafür ist für mich, dass 2013 die ersten Tesla Model S importiert wurden – und bereits heute bieten praktisch alle Hersteller auch Elektro- und Hybridfahrzeuge an. Von rund 4,7 Millionen registrierten Personenwagen sind bereits 3,3 Prozent reine E-Fahrzeuge; bei den Neuwagenverkäufen lag der Anteil 2023 bei 21 Prozent. Mit dieser Entwicklung sind verstärkt wichtige Themen wie Energiepolitik und Infrastruktur-Investitionen aufgekommen und haben direkte Konsequenzen für das Garagengewerbe. Sie bedingen breiteres Know-how in der Werkstatt wie im Verkauf, was es in Zeiten von Arbeits- und Fachkräftemangel nicht einfacher macht. Sehr positiv war, wie das Thema KFZ-Bekanntmachung politisch vorangetrieben wurde. Die Überführung der bestehenden KFZ-Bekanntmachung der Weko in eine verbindliche Verordnung per 1. Januar 2024 war ein wichtiger Schritt für das Automobilgewerbe. Zusammengefasst waren es sehr bewegte und interessante Jahre, welche die gesamte Branche vor grosse Herausforderungen gestellt haben und uns auch in Zukunft prägen werden.






Giorgio Feitknecht ist seit 2011 bei der ESA und seit 2017 deren CEO. Foto: ESA








Wie beurteilen Sie denn die Themen Neuwagenverkäufe und Agenturmodelle?
Die Neuwagen-Verkaufszahlen während der Corona-Jahre waren eine wesentliche Veränderung. Die Zahlen haben sich 2023 ein wenig erholt, sind aber immer noch nicht auf dem Vor-Corona-Niveau. Eine komplette Erholung wird wahrscheinlich auch 2024 noch nicht stattfinden. Und neue Vertriebsmodelle sind ein Thema, welches immer wieder zur Debatte steht. Da scheinen noch viele Fragen offen zu sein.

Was sind aus Ihrer Sicht die derzeit grössten Chancen und ­Challenges für Schweizer Garagen?
Die Garagen- und Carrosseriebetriebe sind das Rückgrat des motorisierten Individualverkehrs in der Schweiz! Ohne sie gibt es keine Individualmobilität. In Anbetracht dessen, dass der Schweizer Fuhrpark noch wachsen wird, bedeutet dies, dass das Garagengewerbe notwendig und unabdingbar ist und bleibt. Betriebe, die über qualifizierte Mitarbeitende verfügen, die technologieoffen sind, ihr Know-how laufend aktualisieren respektive ausbauen und eine gute, nachhaltige Kundenbeziehung pflegen, werden auch in Zukunft gut ausgelastet sein. Somit ist auch gesagt, was die Challenges sind: die Ausbildung sowie das Rekrutieren von Arbeits- und Fachkräften, Aneignung von spezifischem Know-how durch Weiterbildung, gute Kundenbeziehungen und eine faire und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Autoherstellern.

Die ESA selbst hat enorm in die ­Digitalisierung investiert. Sind Sie mit den Resultaten zufrieden?
Die Digitalisierung ist für ein Grosshandelsunternehmen wie die ESA absolut entscheidend. Aus diesem Grund haben wir in der Vergangenheit viel investiert und werden dies auch in Zukunft tun. In der Schnittstelle zu unseren Kundinnen und Kunden haben wir den ESA-eShop laufend technisch und in den Funktionalitäten weiterentwickelt. Dieser funktioniert seit Jahren stabil, wird von Kundinnen und Kunden geschätzt und rege genutzt: 80 Prozent der Bestellungen von Verbrauchsgütern kommen über den E-Shop. Auch firmenintern, zum Beispiel für die Steuerung der Logistikprozesse, sind wir auf eine gut funktionierende IT-Infrastruktur angewiesen. In diesem Bereich investieren wir ebenfalls laufend, um noch stärker an Effizienz zu gewinnen und um über moderne, stabile und sichere Systeme zu verfügen.

Die ESA hatte 2022 einen Rekordumsatz. Wie war 2023, und wie sieht die Aftermarket-Zukunft aus?
An der kommenden ESA-Generalversammlung dürfen wir ein positives Ergebnis für 2023 präsentieren, welches umsatzmässig leicht unter dem Rekordjahr 2022 liegt. Das verdanken wir ganz besonders der grossen Verbundenheit unserer Kundinnen und Kunden und dem Engagement unserer Mitarbeitenden. Zu Ihrer Frage bezüglich der Aftermarket-Zukunft: Der wachsende Schweizer Fuhrpark muss, wie bereits erwähnt, unterhalten werden. So spielen die Garagen- und Carrosseriebetriebe bei Reparatur- und Wartungsarbeiten auch weiterhin eine wichtige Rolle, was sich auch positiv auf den Aftermarket auswirkt.

Die ESA bietet Werkstattkonzepte wie «Le Garage» an. Ist das ein Wachstumsmarkt – und warum?
Die ESA verfügt über drei eigene Garagenkonzepte: Le Garage, Sympacar und Checkbox. Bei allen drei ist die Anzahl der Konzeptpartner in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Für Garagisten sind die Garagenkonzepte ein sehr gutes Instrument, um ihre Mehrmarkenkompetenz gezielt nach aussen zu tragen. So kann die Werkstattauslastung erhöht und das Kundenportfolio erweitert werden, was auch dem Verkauf zugutekommt. Daher erwarten wir, dass sich die positive Entwicklung fortsetzen wird.


Neue Technologien und Fahrzeughersteller verändern Ihre ­Branche. Gibt es neue Schwerpunkte beim ­Sortimentsausbau, beispielsweise durch die E-Mobilität oder chinesische ­Automarken?
Der Sortimentsausbau ist ein laufender Prozess, der absolut notwendig ist, um die wachsenden Kundenbedürfnisse abzudecken. Die Vielfalt an Fahrzeugen, Modellen und Technologien nimmt stetig zu. Wir müssen weiter für ältere Fahrzeuge liefern können und zugleich neue Artikel in den Katalog aufnehmen.

Apropos Veränderung: Die 1930 von 24 Garagisten gegründete ESA ist eine Genossenschaft. Passt diese traditionsreiche und sehr schweizerische Rechtsform noch in unsere schnelllebige Zeit?
Schnelllebigkeit und Genossenschaft: Das ist bei der ESA absolut kein Problem. Ich habe noch nie erlebt, dass die Rechtsform Genossenschaft ein reelles Hindernis gewesen wäre. Die klare Regelung der Verantwortungen und Kompetenzen sowie die grosse Flexibilität der ESA-Behörden haben uns bis heute immer erlaubt, die Geschäfte in der Geschwindigkeit zu realisieren, die wir uns vorgenommen hatten. Ich bin überzeugt, dass die Genossenschaft schon immer und in Zukunft eine sehr zweckmässige und gute Rechtsform für die ESA ist. Sie ermöglicht den rund 7000 Mitinhaberinnen und Mitinhabern, individuelle Interessen zu bündeln, demokratisch mitzubestimmen und ihre unternehmerische Freiheit zu bewahren.

Wie hält man als CEO bei 7000 Mitinhaberinnen und Mitinhabern den Kontakt zur «Basis»?
Ich erachte den Kontakt zu den ESA-Mitinhaberinnen und -Mitinhabern, Kundinnen und Kunden als sehr wichtig, weil ich dadurch sehr viel erfahre und mitbekomme. Diesen Kontakt pflege ich grundsätzlich über zwei Schienen: Einerseits besuche ich persönlich jährlich eine Vielzahl von Betrieben jeder Grösse und Ausprägung in der ganzen Schweiz. Auf der anderen Seite versuche ich bei Branchenanlässen präsent zu sein, an denen ich immer interessante Unternehmer aus der Garagen- sowie Carrosseriebranche treffe. Und dann gibt es natürlich noch die ESA-Anlässe wie die anstehende Generalversammlung, die für das Networking sehr gut sind. Der sehr wichtige, laufende und intensive Kontakt wird bei der ESA auch durch viele weitere Mitarbeitende gepflegt, zum Beispiel durch Gebietsleiter und die Geschäftsführer.

Verraten Sie uns noch vor der GV ein paar Neuigkeiten der ESA für das laufende oder nächste Jahr?
Die grösste Neuigkeit 2024 wird die Eröffnung des Räderhotels in St. Gallen. Der Bau kommt gut voran, und wir werden im Oktober mit der Einlagerung der Kundenräder beginnen, die uns die Garagen anvertrauen. Das Räderhotel auf einer Baulandreserve direkt neben der neuen Geschäftsstelle wird eine Kapazität von circa 40000 Rädern haben. Zudem wird die ESA in Zukunft sicher noch weitere Räderhotels in Betrieb nehmen.
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