Handel unter Druck
Lichtblicke bei Occasionen und in der Werkstatt
5. Juni 2020 agvs-upsa.ch – Der Handel mit Neuwagen leidet unter der Corona-Krise. Auto-Schweiz rechnet mit einem Minus von 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch es gibt auch Positives.
Der Verkauf von Neuwagen kommt langsam wieder in die Gänge – in der Werkstatt war immer etwas los. Quelle: AGVS-Medien
sco./kro. «Mögest du in interessanten Zeiten leben!» So lautet ein chinesischer Fluch, dessen Herkunft nicht eindeutig belegt ist. Die Welt erlebt interessante Zeiten. Die Corona-Pandemie und die Massnahmen zu ihrer Eindämmung hinterlassen eine deutlich sichtbare Bremsspur in der Weltwirtschaft. Wie lange diese Bremsspur ist, lässt sich nur schwer abschätzen.
Tatsache ist, dass die Autoindustrie und damit auch das Autogewerbe stark von der Pandemie betroffen sind. Professor Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach und im Jahr 2019 Referent am «Tag der Schweizer Garagisten», rechnet in Europa mit einem Einbruch des europäischen Automarkts um 21 Prozent. Statt 15,8 Millionen Neuwagen wie 2019 würden im Jahr 2020 noch 12,5 Millionen abgesetzt. Stefan Bratzel geht in seinem Basisszenario davon aus, dass die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und damit auch der Automobilwirtschaft auf dem aktuellen Stand begrenzt bleiben. Ausserdem wird angenommen, dass die Autonachfrage durch staatliche Förderungen angeregt wird. Ansonsten wäre mit deutlich höheren Rückgängen bei der PW-Nachfrage zu rechnen.
Auch in der Schweiz sind die Prognosen düster. Auto-Schweiz rechnet damit, dass 2020 hierzulande noch 240'000 Autos (2019: 311'000) neu immatrikuliert werden, ein Rückgang von rund 23 Prozent. Eine Einschätzung, die Christoph Keigel, Garagist und Präsident des Renault-Händlerverbands, teilt: «Rein rechnerisch machen die zwei verlorenen Monate März und April bereits 16 Prozent des Jahres aus.» Ein Rückgang um 23 Prozent würde jedoch bedingen, dass die Verkäufe quasi aus dem Stand heraus wieder auf normalem Niveau zurück sind. Keigel: «Das wird aber mit Sicherheit nicht der Fall sein. Deshalb werden jene, die einen Rückgang von mindestens 30 Prozent prophezeien, näher an der Realität sein als jene, die einen von unter 20 Prozent voraussagen.»
Die aktuelle Situation wird gerne mit der Finanzkrise von 2007/08 verglichen. Dabei unterscheiden sich die beiden Krisen in einem entscheidenden Punkt: Nicht nur die Nachfrage schwächelt – aufgrund des staatlich verordneten weltweiten Lockdowns ist auch die Angebotsseite stark betroffen. Und ein grosses Problem wird auf die Schweizer Händler erst noch zukommen: Wer einen Neuwagen konfiguriert und bestellt, der wartet in der Regel rund drei Monate, bis sein neues Auto beim Händler eintrifft. Wer also im Juni einen Neuwagen verkauft, der erhält das Auto – und damit den Umsatz – nicht vor September oder Oktober.
Wie gut die Schweizer Markenhändler durch diese Krise kommen, hänge auch von den Importeuren ab, sagt Markus Aegerter, in der AGVS-Geschäftsleitung für die Branchenvertretung zuständig: «Bislang haben die meisten Importeure Augenmass bewiesen und ihre Garagisten unterstützt.» Doch: Wie verhalten sich die Hersteller gegenüber den Importeuren? Wie viel Druck setzen sie auf? Denn mit dem von Professor Bratzel prognostizierten Rückgang der Verkäufe in Europa kämpfen auch sie um das nackte Überleben. Der AGVS und Auto-Schweiz fordern deshalb die Unterstützung des Handels mit Kaufprämien. Die grossen Importeure Amag und Emil Frey verlangen zudem die Aussetzung der CO2-Sanktionen für das Jahr 2020.
Markus Aegerter. Quelle: AGVS-Medien
Der Blick auf den Neuwagenhandel ist «interessant», um beim chinesischen Fluch zu bleiben. Doch nicht jeder Schweizer Garagist ist von diesem Einbruch gleich betroffen. Der Rückgang bei den Occasionen ist weit weniger stark ausgefallen, wie René Mitteregger vom Datenspezialisten Auto-i-Dat ermittelt hat. Während im April aufgrund der Schliessung der Verkaufs- und Ausstellungsflächen 67,2 Prozent weniger Neuwagen verkauft wurden, betrug der Rückgang bei den Gebrauchten lediglich 37,5 Prozent. «Auf einen Neuwagen wurden 4,49 Occasionen verkauft», so Mitteregger. «Das ist eine gewaltige Zahl und bisher nie dagewesen.»
Zwar seien die Standzeiten leicht höher als noch vor Corona, allerdings habe dies keinen Einfluss auf die Preise. «Persönlich erwarte ich, dass die Preise für Occasionen eher steigen werden. Mit den Lieferschwierigkeiten der Hersteller werden gute Occasionen knapp», sagt der Datenspezialist. In der Tat sind die Preise für Gebrauchtwagen seit Anfang Jahr signifikant gestiegen: Der Autoscout24-Marktindex notiert für Occasionen im April einen Durchschnittspreis von 26'708 Franken; im Februar waren es noch 25'367 Franken. Diese Steigerung um 5,3 Prozent führt Maurice Acker, National Sales Director bei Autoscout24, direkt auf die Corona-Krise zurück: «Wir kennen aus früheren Krisen, dass sich günstige Fahrzeuge auch in aussergewöhnlichen Situationen verkaufen lassen, während teure Autos eher länger stehen bleiben. Wenn nun mehr günstige Occasionen verkauft werden und teurere Fahrzeuge inseriert bleiben, steigt der Durchschnittspreis an.» Acker geht allerdings davon aus, dass das Preisniveau gegen Herbst wieder leicht sinken wird, wenn allgemein wieder mehr Fahrzeuge verkauft werden.
Zurück zu den Neuwagen: Eine Rabattschlacht, die Experten wie Stefan Bratzel auf die Branche zukommen sehen, hält René Mitteregger von Auto-i-dat für wenig zielführend: «Angesichts der Lieferschwierigkeiten wird das Angebot knapp. Hohe Kaufprämien, nur um auf die Schnelle ein paar Autos zu verkaufen, ergeben keinen Sinn.» Die Lager seien voll, widerspricht Garagist Keigel: «Die Lagerfahrzeuge müssen früher oder später auf die Strasse. Das wird primär über den Preis laufen. Tiefere Preise bedeuten aber dann eine tiefere Rendite für den Händler.»
Dass der Druck gross ist, möglichst rasch viele Neuwagen an den Kunden oder die Kunden zu bringen, liegt auch an den Bonus-Modellen zahlreicher Importeure. Der Bonus hängt stark von der Zahl der verkauften Autos ab. «Und wer während zwei Monaten kein Auto verkaufen kann, der spürt das», sagt Markus Aegerter. Er macht sich deshalb mehr Sorgen um die grösseren Betriebe mit dem Fokus auf den Verkauf von Neuwagen. «Kleinere Garagen, die mehr auf den Werkstattbetrieb als auf den Verkauf fokussiert sind, haben während des Lockdowns weniger von der Krise gespürt. Ihre Werkstätten waren mehrheitlich ordentlich ausgelastet. Wer dazu noch über ein gutes Occasionsmanagement verfügt, kann die wegbrechenden Einnahmen aus dem Verkauf teilweise abfedern.»
Fazit: Auch die Zeit der Corona-Pandemie ist nicht für alle gleich interessant.
Der Verkauf von Neuwagen kommt langsam wieder in die Gänge – in der Werkstatt war immer etwas los. Quelle: AGVS-Medien
sco./kro. «Mögest du in interessanten Zeiten leben!» So lautet ein chinesischer Fluch, dessen Herkunft nicht eindeutig belegt ist. Die Welt erlebt interessante Zeiten. Die Corona-Pandemie und die Massnahmen zu ihrer Eindämmung hinterlassen eine deutlich sichtbare Bremsspur in der Weltwirtschaft. Wie lange diese Bremsspur ist, lässt sich nur schwer abschätzen.
Tatsache ist, dass die Autoindustrie und damit auch das Autogewerbe stark von der Pandemie betroffen sind. Professor Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach und im Jahr 2019 Referent am «Tag der Schweizer Garagisten», rechnet in Europa mit einem Einbruch des europäischen Automarkts um 21 Prozent. Statt 15,8 Millionen Neuwagen wie 2019 würden im Jahr 2020 noch 12,5 Millionen abgesetzt. Stefan Bratzel geht in seinem Basisszenario davon aus, dass die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und damit auch der Automobilwirtschaft auf dem aktuellen Stand begrenzt bleiben. Ausserdem wird angenommen, dass die Autonachfrage durch staatliche Förderungen angeregt wird. Ansonsten wäre mit deutlich höheren Rückgängen bei der PW-Nachfrage zu rechnen.
Auch in der Schweiz sind die Prognosen düster. Auto-Schweiz rechnet damit, dass 2020 hierzulande noch 240'000 Autos (2019: 311'000) neu immatrikuliert werden, ein Rückgang von rund 23 Prozent. Eine Einschätzung, die Christoph Keigel, Garagist und Präsident des Renault-Händlerverbands, teilt: «Rein rechnerisch machen die zwei verlorenen Monate März und April bereits 16 Prozent des Jahres aus.» Ein Rückgang um 23 Prozent würde jedoch bedingen, dass die Verkäufe quasi aus dem Stand heraus wieder auf normalem Niveau zurück sind. Keigel: «Das wird aber mit Sicherheit nicht der Fall sein. Deshalb werden jene, die einen Rückgang von mindestens 30 Prozent prophezeien, näher an der Realität sein als jene, die einen von unter 20 Prozent voraussagen.»
Die aktuelle Situation wird gerne mit der Finanzkrise von 2007/08 verglichen. Dabei unterscheiden sich die beiden Krisen in einem entscheidenden Punkt: Nicht nur die Nachfrage schwächelt – aufgrund des staatlich verordneten weltweiten Lockdowns ist auch die Angebotsseite stark betroffen. Und ein grosses Problem wird auf die Schweizer Händler erst noch zukommen: Wer einen Neuwagen konfiguriert und bestellt, der wartet in der Regel rund drei Monate, bis sein neues Auto beim Händler eintrifft. Wer also im Juni einen Neuwagen verkauft, der erhält das Auto – und damit den Umsatz – nicht vor September oder Oktober.
Wie gut die Schweizer Markenhändler durch diese Krise kommen, hänge auch von den Importeuren ab, sagt Markus Aegerter, in der AGVS-Geschäftsleitung für die Branchenvertretung zuständig: «Bislang haben die meisten Importeure Augenmass bewiesen und ihre Garagisten unterstützt.» Doch: Wie verhalten sich die Hersteller gegenüber den Importeuren? Wie viel Druck setzen sie auf? Denn mit dem von Professor Bratzel prognostizierten Rückgang der Verkäufe in Europa kämpfen auch sie um das nackte Überleben. Der AGVS und Auto-Schweiz fordern deshalb die Unterstützung des Handels mit Kaufprämien. Die grossen Importeure Amag und Emil Frey verlangen zudem die Aussetzung der CO2-Sanktionen für das Jahr 2020.
Markus Aegerter. Quelle: AGVS-Medien
Der Blick auf den Neuwagenhandel ist «interessant», um beim chinesischen Fluch zu bleiben. Doch nicht jeder Schweizer Garagist ist von diesem Einbruch gleich betroffen. Der Rückgang bei den Occasionen ist weit weniger stark ausgefallen, wie René Mitteregger vom Datenspezialisten Auto-i-Dat ermittelt hat. Während im April aufgrund der Schliessung der Verkaufs- und Ausstellungsflächen 67,2 Prozent weniger Neuwagen verkauft wurden, betrug der Rückgang bei den Gebrauchten lediglich 37,5 Prozent. «Auf einen Neuwagen wurden 4,49 Occasionen verkauft», so Mitteregger. «Das ist eine gewaltige Zahl und bisher nie dagewesen.»
Zwar seien die Standzeiten leicht höher als noch vor Corona, allerdings habe dies keinen Einfluss auf die Preise. «Persönlich erwarte ich, dass die Preise für Occasionen eher steigen werden. Mit den Lieferschwierigkeiten der Hersteller werden gute Occasionen knapp», sagt der Datenspezialist. In der Tat sind die Preise für Gebrauchtwagen seit Anfang Jahr signifikant gestiegen: Der Autoscout24-Marktindex notiert für Occasionen im April einen Durchschnittspreis von 26'708 Franken; im Februar waren es noch 25'367 Franken. Diese Steigerung um 5,3 Prozent führt Maurice Acker, National Sales Director bei Autoscout24, direkt auf die Corona-Krise zurück: «Wir kennen aus früheren Krisen, dass sich günstige Fahrzeuge auch in aussergewöhnlichen Situationen verkaufen lassen, während teure Autos eher länger stehen bleiben. Wenn nun mehr günstige Occasionen verkauft werden und teurere Fahrzeuge inseriert bleiben, steigt der Durchschnittspreis an.» Acker geht allerdings davon aus, dass das Preisniveau gegen Herbst wieder leicht sinken wird, wenn allgemein wieder mehr Fahrzeuge verkauft werden.
Zurück zu den Neuwagen: Eine Rabattschlacht, die Experten wie Stefan Bratzel auf die Branche zukommen sehen, hält René Mitteregger von Auto-i-dat für wenig zielführend: «Angesichts der Lieferschwierigkeiten wird das Angebot knapp. Hohe Kaufprämien, nur um auf die Schnelle ein paar Autos zu verkaufen, ergeben keinen Sinn.» Die Lager seien voll, widerspricht Garagist Keigel: «Die Lagerfahrzeuge müssen früher oder später auf die Strasse. Das wird primär über den Preis laufen. Tiefere Preise bedeuten aber dann eine tiefere Rendite für den Händler.»
Dass der Druck gross ist, möglichst rasch viele Neuwagen an den Kunden oder die Kunden zu bringen, liegt auch an den Bonus-Modellen zahlreicher Importeure. Der Bonus hängt stark von der Zahl der verkauften Autos ab. «Und wer während zwei Monaten kein Auto verkaufen kann, der spürt das», sagt Markus Aegerter. Er macht sich deshalb mehr Sorgen um die grösseren Betriebe mit dem Fokus auf den Verkauf von Neuwagen. «Kleinere Garagen, die mehr auf den Werkstattbetrieb als auf den Verkauf fokussiert sind, haben während des Lockdowns weniger von der Krise gespürt. Ihre Werkstätten waren mehrheitlich ordentlich ausgelastet. Wer dazu noch über ein gutes Occasionsmanagement verfügt, kann die wegbrechenden Einnahmen aus dem Verkauf teilweise abfedern.»
Fazit: Auch die Zeit der Corona-Pandemie ist nicht für alle gleich interessant.
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