Profi-Software vom freundlichen Nachbarn

GCS Schweiz AG im Porträt

Profi-Software vom freundlichen Nachbarn

21. November 2024 agvs-upsa.ch – Die GCS Schweiz AG entwickelt und liefert seit 2006 Rundum-Softwarepakete für Garagen und Carrosserien. Der Chef, Reto Dellenbach, kennt sein Geschäft seit 1997. Was kann so ein IT-Mittelständler mit zehn Mitarbeitenden für seine Kundinnen und Kunden tun – und was bringt die Zukunft? Rainer Klose


Reto Dellenbach (2.v. r.) mit seinem Team: Die GCS Schweiz AG residiert in einem unauffälligen einstigen Wohnhaus in Oberwil BL. Fotos: AGVS-Medien

Sind wir richtig? Das Haus mit dem spitzen Ziegeldach liegt halb versteckt hinter einer Gartenmauer. Wer auf das Firmengelände einbiegt, zwängt sein Auto durch eine enge Toreinfahrt und parkiert quasi im Vorgarten. Aus einem Fenster begrüsst uns der Firmenchef – eingerahmt von hellblauen Fensterläden. 

Ja, wir sind richtig! Willkommen bei der GCS Schweiz AG, einem der führenden Software anbieter für Garagen und Carrosserien in der Schweiz. Doch Vorsicht: Hier gibt es nichts zu unterschätzen. Im lieblichen Oberwil, zwischen den sanften Hügeln des Leimentals in Baselland, wohnt eine Firma mit Biss. Die GCS AG liefert seit 2006 ein Rundum-Softwarepaket für kleine und mittlere Betriebe, bestehend aus Software zur Schadensaufnahme, Ersatzteilbestellung, Fahrzeughandel, Service und Unterhalt, Verwaltung der Mitarbeitenden, Finanz-und Lohnwesen bis hin zur Übergabe der Unternehmenszahlen an den Steuerberater. Dazu auch die ganze Systemumgebung bis hin zur Cloud. Mit Hilfe eines «Dashboards» behält der Garagist den Überblick, was im Betrieb läuft. Und erfährt, wo es allen falls harzt und er Geld verliert.

In der Region verwurzelt 
Firmenchef Reto Dellenbach erzählt, wie er zu der Firma kam – oder sie zu ihm. Aufgewachsen ist der 56-Jährige ein paar hundert Meter von hier, in Oberwil BL, wo die GCS AG heute noch sitzt. Seine Eltern betrieben die Opel-Garage im Dorf. Dellenbach lernte Autolackierer und kehrte nach ein paar Lehr- und Wanderjahren 1991, im Alter von 23 Jahren, in den elterlichen Betrieb zurück. Vier Jahre später stellte die Schweiz von der Warenumsatzsteuer (WUSt.) auf die in Europa verbreitete Mehrwertsteuer (MwSt.) um. Dellenbachs Eltern brauchten deshalb ein neue IT-Umgebung. Naheliegende Lösung: Der Computer affine Junior wird mit dem Job betraut. «Das war der Startpunkt. Da hat es sozusagen meinen Ärmel in die IT hineingezogen», sagt Dellenbach. Und blieb bei der IT: 1997 verlässt er den elterlichen Betrieb und gründet seine erste Softwarefirma.

Heute betreut Dellenbach mit seiner Frau Sandra und neun weiteren Angestellten rund 450 Garagen und Carrosserien in der Schweiz. Kein leichter Job. Lachend sagt Dellenbach: «Meine Kunden lieben Autos. Viele sind computerscheu. Wenn ich denen vorschlagen würde, morgen zu Schreibmaschine und Kohlepapier zurückzukehren – ich schätze, 80 Prozent würden mitmachen wollen.» Doch eine Zeitmaschine zurück in die 1970er-Jahre gibt es nicht. Also kämpft Dellenbach für möglichst einfache, möglichst leicht bedienbare Software, die vieles im Hintergrund automatisiert, damit man nicht alles doppelt eingeben muss. «Ich komme aus der Branche. Ich verstehe, was unsere Kunden brauchen, und lasse es mir immer wieder erklären.»


Der Chef im Dienst am Kunden: Reto Dellenbach an seinem Arbeitsplatz. Zum Thema IT als Beruf kam der gelernte Autolackierer einst in der elterlichen Garage; 1997 gründete er seine erste eigene Softwarefirma.

Deutsche Partnerfirma im Rücken 
Partner und zu 50 Prozent Teilhaber der GCS Schweiz AG ist die deutsche Softwarefirma KSR aus Neu-Ulm. Auch KSR hat jahrzehntelange Branchenkenntnis: Seit 1991 entwickelt sie Werkstattsoftware für Garagen und Carrosserien. Beim Partner KSR arbeiten 70 Angestellte, davon 30 Softwareentwickler. Die Kunden in Deutschland und Österreich betreut KSR selbst; für die Schweiz ist die GCS AG zuständig. In Oberwil laufen alle Fäden zusammen. Wer anruft, gelangt zu Sekretärin Patrizia Keller. Sie sitzt am Empfang neben der Eingangstür, hat den Vorgarten im Blick und drei grosse Bildschirme. Gleich nebenan das Hardware-Lager mit den wichtigsten Serverbausteinen, falls mal beim Kunden etwas ausfällt. Zwei Techniker kümmern sich um Hardware, Netzwerk, Security und die Cloud.

Im Obergeschoss sitzen fünf Softwarespezialisten: Zwei Experten entwickeln Schnittstellen der GCS-Software zu Schweizer Ersatzteillieferanten, Versicherungen und Kalkulationsdatenbanken wie Eurotax, Audatex, SilverDat3 oder GT-Motive oder setzen individuelle Kundenwünsche um. Drei weitere im Nachbarbüro betreiben die Fernwartung. Wenn in einer Garage zwischen Chur und Biel, zwischen Altdorf und Schaffhausen ein Problem auftaucht, schauen sich die Jungs aus Oberwil deren Bildschirm an und helfen. «Unsere Software ist fast nur in der Deutsch schweiz verbreitet», so Dellenbach, «weil sich die Übersetzung der Software und Handbücher ins Französische bislang nicht rechnet.» Rund 30 Garagen im Bilingue-Gebiet nutzen das GCS-Softwarepaket. «In diesen Garagen spricht aber immer eine Person deutsch.»

Also alles in Ordnung, eine ruhige Idylle? Nein. Der Chef muss unternehmerisch denken, kann seinen Laden nicht einfach nur laufen lassen. «Wir können in unserem bisherigen Geschäft kaum weiterwachsen», sagt Reto Dellenbach. «Im Gegenteil: die Zahl der freien Garagen und Carrosserien sinkt, weil die Autohersteller und Importeure Garagen aufkaufen und in ihr Netz übernehmen.» Damit gehen sie als Kunden verloren. Dellenbach, der findige Unternehmer, hat daher ein neues Geschäftsfeld eröffnet: 2020 setzte er sich hin und erdachte einen neuen Standard für den Datenaustausch zwischen Garagen, Versicherungen und Kunden: DRA 2.0 – die «digitale Reparaturakte». Zur Bearbeitung eines Falles sollte niemand mehr Kostenvoranschläge oder Rechnungen lesen und zeilen weise abtippen müssen. Die DRA 2.0 zeigt die geleistete Arbeit und alle eingebauten Teile in maschinenlesbarer Form – integriert in die Datei sind auch PDFs und Fotos und ermöglichen den Ausdruck der Rechnung wie bisher.

Neue Plattform carrepnet.ch 
Um den Standard schweizweit zu verbreiten, gründete Dellenbach im November 2023 carrepnet.ch. Auf der Plattform lassen sich Termine buchen, Werkstätten können Daten end2end digital mit Kunden austauschen. «Unser Standard ist offen für alle; auch für unsere Wett bewerber auf dem Softwaremarkt.» Vor allem Versicherungs- und Schadensteuerungsunternehmen werden helfen, den DRA-Standard zu etablieren, ist er überzeugt: «Versicherungen haben grosses Interesse, dass freie Werkstätten weiterhin existieren und effizient arbeiten. Wenn der Markt für freie Werkstätten austrocknet, gehen die Reparaturkosten durch die Decke.»

Man kann Vertrauen schöpfen in das kleine, schlagkräftige Team. Aber wie bemerkt ein Garagist, dass er anrufen, nach einer neuen Software suchen sollte? Reto Dellenbach hat einen Tipp. «Wenn Sie einen handgeschriebenen Zettel aus der Werkstatt nicht lesen können, wieder rückfragen müssen, was gemeint ist, wieder eine Rechnung nicht schicken können, weil noch nicht alles klar ist, oder wenn Sie vorhandene Daten mehrmals erfassen – dann wäre es an der Zeit.» Die GCS AG rüstet dann zum Beispiel die Werkstatt mitarbeiter mit preisgünstigen Android-Handys aus, verbindet die mit der GCS Software MOW, mit der die Mitarbeitenden direkt am Fahrzeug Daten eingeben. Und ohne weitere Abtipperei geht der Auftrag oder Kostenvoranschlag ins System, die Freigabe bei Kunden oder Versicherung wird erneut eingeholt, die Rechnung kann raus. Und so bleibt dem Fahrzeugspezialisten mehr Zeit für das, was er am liebsten macht und am besten kann: am Auto schrauben.
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