Electrosuisse Expert Talk
Ohne E-Fuels und Wasserstoff keine Energiewende
Herausforderung: Weil es ausser lokalem erneuerbaren Strom Energieimporte braucht, könnten anderenorts erzeugte E-Fuels und Wasserstoff beitragen, die Umweltziele zu erreichen. Foto: iStock
Seien wir mal ehrlich: Alle sprechen vom Netto-Null-Ziel 2050, «aber was heisst das eigentlich?», leitet Dirk Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), mit einer sehr berechtigten Frage sein Expertenreferat beim Expert Talk ein: Das Format der Electrosuisse (Fachverband Elektro-, Energie- und Informationstechnik) gibt Einblicke in Dinge, von denen man viel hört, aber wenig weiss. «Das Netto-Null-Ziel ist mehr als eine Mobilitätswende», so Bach. Wohl wahr: Da dämmert ein Totalumkrempeln der Energieversorgung.
In nur 27 Jahren muss es geschafft sein
Bach erläutert das Schweizer Netto-Null-Ziel 2050: Erstens dürften dann keine fossilen Energieträger wie Erdöl mehr eingesetzt werden. Zweitens brauche man nicht nur keine, sondern negative CO2-Emissionen - zum Ausgleich, weil ja nicht alle CO2-Emissionen vermeidbar seien. Drittens und vor allem müsse der Umstieg auf erneuerbare Energien 2050 geschafft sein. In nur 27 Jahren also! Eine Mammutaufgabe. Der gelernte Automobil-Ingenieur Bach betont, dies sei eine machbare Aufgabe - falls man sie richtig anpacke. Neben Strom aus erneuerbaren hiesigen Quellen benötige man aber Energie in chemischer Form, also beispielsweise E-Fuels oder Wasserstoff. Beim Stromnetz sei die Integration von E-Autos wichtig, der Speicherkapazität wegen. Seien E-Autos integriert, gewinne man «zehn Terrawattstunden an Strom, ohne ein einziges Megawatt mehr zu produzieren», sagt Bach.Erläuterungen zur Energiewende: Christian Bach, Leiter Fahrzeugantriebe bei der Empa, erläutert am Expert Talk online, dass die Sahara allen Strom der Welt erzeugen könnte. Screenshot: AGVS-Medien
Sahara könnte den Weltstrombedarf decken
Bachs Schluss: «Die Welt hat ein CO2-Problem. Aber sie hat kein Energieproblem.» Der renommierte Experte Bach (Bild rechts) nennt Zahlen: Eine 800 mal 800 Kilometer grosse Solaranlage in der Sahara in Afrika könne den Weltstrombedarf decken. Heute laufen weltweit bereits fünf Anlagen über 50 Quadratkilometer Fläche, und je eine mit 345 und 632 Quadratkilometern entstehen. Doch wie soll der Strom aus der Sahara zu uns kommen? Hier kommen synthetische E-Fuels oder Wasserstoff ins Spiel. «Man kann im Sonnengürtel der Erde synthetische Energieträger herstellen», so Bach. Mit diesem Ansatz könne man ausser CO2-Neutralität jene Negativemissionen erreichen, die es für das Netto-Null-Ziel brauche. Ein Beispiel: Zur Methanherstellung der Atmosphäre entnommenes CO2 zum Beispiel nutzen, um Asphalt zu erzeugen oder Karbon-Leichtbauteile, anstatt es zurück in die Atmosphäre auszustossen.
Energieexporte nicht aus Nachbarländern
Aber ernsthaft Strom aus der Wüste? «Wir werden auf Energieimporte angewiesen sein», ist Bach überzeugt, «aber genau deshalb müssen wir Energie dort holen, wo es keine Konkurrenzsituation gibt mit Ländern, die ebenfalls mehr Strom brauchen.» Ähnlicher Meinung ist der zweite Referent, dem Electrosuisse-Ingenieurin Karin Schröter dann das Wort übergibt: «Man muss natürlich auch auf Importe setzen, aber das ist auch eine Frage der Versorgungssicherheit. Man braucht einen gewissen Grundstock!», betont Urs Cabalzar, Projektleiter des Wasserstoffunternehmens H2 Energy AG - und beleuchtet Projekte und Vorteile von Wasserstoff als Energieträger. «Wir können dann im Sommer, wenn wir viel Sonnenenergie haben, chemische Energieträger zur Speicherung erzeugen.»Hält Wasserstoff für unverzichtbar: Urs Cabalzar, Projektleiter bei der H2 Energy AG, beleuchtet im Online-Talk, wie viel Europa beim Energieverbrauch zur Wende fehlt. Screenshot: AGVS-Medien
Wasserstoff tankt sich schneller als Strom
Schaue man Europas Energieverbrauch an, sei zwar bereits ein hoher Anteil erneuerbarer Energien von etwa 40 Prozent dabei, der Rest sei aber «trotz aller Anstrengungen in den letzten Jahren» noch weitgehend fossil, führt Cabalzar aus. «Ich sehe grüne Moleküle, also chemische Energieträger, als alternativlos an. Beispielsweise für die Stahlindustrie oder die Schifffahrt. Es ist wichtig, dass das in den nächsten Jahren auch regulatorisch aufgegleist wird. Sonst wird es schwierig mit Netto-Null.»Aber der schlechte Wirkungsgrad beim «Umweg» über Wasserstoff? «Bei den Brennwerten sind wir bei 70 bis 75 Prozent.» Cabalzar räumt aber ein: Mache man aus Strom Wasserstoff und dann daraus wieder Strom - also was in Wasserstoff-Brennstoffzellenautos geschieht - sei man lediglich bei 40 bis 50 Prozent. Aber es komme auf die Nutzung an. «In der Stadt Zürich zum Beispiel funktioniert der ÖV auch elektrisch mit Oberleitungsbussen. Aber lange Distanzen oder in den Bergen mit dem Postauto, da sind Wasserstoff oder andere chemische Energieträger besser zum schnellen Wiederauftanken.»
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Kommentare
Max 28. September 2023 - 8:19
Peter1 28. September 2023 - 8:44