«Die deutschen Autohersteller sind nur in der Verfolgerposition»

Autonomes Fahren

«Die deutschen Autohersteller sind nur in der Verfolgerposition»

24. April 2019 agvs-upsa.ch - «Klare Defizite»: Auto-Professor Stefan Bratzel hat in einem Interview mit dem deutschen «Handelsblatt» über autonomes Fahren gesprochen. Besonders bei den deutschen Herstellern sieht er Aufholbedarf.

abi. Stefan Bratzel ist Direktor des renommierten Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Vielen ist er noch als Referent des «Tag der Schweizer Garagisten» 2019 bekannt, als er von Gänsen und Goldschürfern sprach. Nun hat er sich zum Thema «Autonomes Fahren» geäussert. 

Er sieht dabei die US-Anbieter klar im Vorteil: Google-Schwester Waymo aus dem Hause Alphabet sei in Sachen autonomes Fahren das wichtigste Unternehmen. «Der Abstand ist am offensichtlichsten bei den autonom gefahrenen Kilometern ablesbar. Da liegt Waymo mit weitem Abstand vorn», sagte er dem «Handelsblatt». Die gefahrenen Kilometer sind daher wichtig, weil sie aufzeigen, wie viel Erfahrungen ein Unternehmen gesammelt hat. «Die tägliche Praxis ist ganz entscheidend: Nur im realen Einsatz zeigt sich, dass ein Unternehmen tatsächlich die Technik des autonomen Fahrens in den Griff bekommt», sagte er weiter. 

Auto-Professor Stefan Bratzel am «Tag der Schweizer Garagisten» 2019 in Bern.

China am Ende wohl vor Deutschland
Nicht unterschätzen würde er die General-Motors-Tochter Cruise. Zudem gebe es auch noch kleinere, aber technologisch sehr weit fortgeschrittene Anbieter wie Zoox. Weiter nennt Bratzel die chinesischen IT-Riesen Tencent und Alibaba sowie Baidu, das in Kalifornien auf mehr Testkilometer als Mercedes komme. Er glaubt, dass das technologische Niveau der chinesischen Konzerne grundsätzlich mit dem der deutschen Hersteller vergleichbar sei. «Aber wahrscheinlich sind die chinesischen Unternehmen am Ende doch ein kleines Bisschen besser.»

Bei den deutschen Autoherstellern sieht Bratzel klare Defizite. Sie seien in der Verfolgerposition. «Bei Assistenzsystemen haben sie durchaus einiges zu bieten, also bis zum sogenannten Level 2 des autonomen Fahrens», sagte er. «Wenn es darum geht, das Auto schon etwas stärker wirklich selbstständig fahren zu lassen, also auf Level 3, sieht es dann schon nicht mehr ganz so überzeugend aus.» 

Er rät den deutschen Herstellern zu Partnerschaften, wie es Volkswagen beispielsweise mit dem Ford-Konzern und dessen autonomer Tochter Argo plant. «Das alles allein zu stemmen, ist viel zu schwierig und zu teuer.» Die gewaltigen Kosten sind laut Bratzel auch der Grund, weshalb es am Ende der technischen Entwicklung sowieso nur vergleichsweise wenige Anbieter geben dürfte.

Durchbruch nicht vor 10, 15 Jahren
Auf den Durchbruch der Technologie angesprochen, spricht Bratzel von einem Zeitraum von 10 bis 15 Jahren. «Die Technologie ist einfach sehr komplex.» Zudem müsse man sich wahrscheinlich darauf einstellen, dass das autonome Fahren tendenziell nur bei niedrigeren Geschwindigkeiten und in klar abgegrenzten Zonen funktionieren werde.

Hintergrund für Bratzels Aussagen war ein ebenfalls im «Handelsblatt» veröffentlichtes Interview mit Thomas Sedran, Vorstandschef von Volkswagen Nutzfahrzeuge. Dieser erklärte, dass die Euphorie bei den Autoherstellern etwas abgeflacht sei. «Alle sind sehr viel skeptischer und vor allem realistischer geworden. Das hat auch einen positiven Effekt, denn nun wird intensiv an realitätsnahen Konzepten gearbeitet», sagte Sedran.

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